S1m0ne - Kritik | Film 2002 | Moviebreak.de (2024)

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Kritik

Bereits bei seinem Regiedebüt Gattaca und seinem Oscar-nominierten Script zu Die Truman Show setzte sich Andrew Niccol (Lord of War – Händler des Todes) mit Themen wie künstlichen/verheimlichten Identitäten und medialer Wahrnehmung und daraus resultierender Satire an der Grenze zur Dystopie auseinander, was wie die ideale Voraussetzung für eine Idee wie die von S1m0ne anmutet. Niccol schrieb selbst das Drehbuch und konnte wohl auch aufgrund der gesammelten Vorschusslorbeeren einen sehr beachtlichen Cast um sich herum versammeln, angeführt von einem sichtlich engagierten Al Pacino (Heat), der zum damaligen Zeitpunkt definitiv noch nicht zum ganz alten Eisen der Filmindustrie gehörte - aber auch aufgrund weniger erfolgreichen Filmen wie diesen schon langsam in eben jene Richtung geschubst wurde.

Pacino spielt Viktor Taransky, ein Filmregisseur der alten Schule, der dem Studiosystem vergangener Tage hinterhertrauert. Als die Stars noch unter der Fuchtel ihrer Arbeitgeber standen und nicht mit den absurdesten Allüren ausgestattet die Visionen der Filmemacher torpedierten. Gerade hat mit Nicola Anders (Winona Ryder, Edward mit den Scherenhänden) wieder so eine exzentrische Diva wutentbrannt sein aktuelles Projekt geschmissen und seine Karriere steht damit vor dem Aus. Als er praktisch gerade seinen Kram zusammenpackt, lauert ihm der verwirrt wirkende Programmierer Hank (Elias Koteas, Zodiac – Die Spur des Killers) förmlich auf. Dieser hat eine Simulation erschaffen, die echte Darsteller*innen obsolet macht. Simulation One – kurz: SimOne. Nach Hank's Tod beschäftigt sich Viktor intensiv mit dessen nur ihm bekannten Vermächtnis und neuen Monate später ist sein Baby fertig. Der nicht mehr als realisierbar gehaltene Film, mit einer neuen und unglaublich faszinierenden Leinwandgöttin namens Simone. A Star is born, aber natürlich kann und will Viktor sein Geheimnis nicht der Öffentlichkeit preisgeben. Stattdessen entsteht ein Mythos und schnell ein regelrechter Hype um das mysteriöse Starlett, das nur ihr Entdecker offenkundig direkt zu Gesicht bekommt und trotzdem ein unkontrolliertes, öffentliches Eigenleben entwickelt, dass es ihrem „Schöpfer“ bald schnell über den Kopf wächst.

Der Anfang von S1m0ne ist vielversprechend und in seiner Thematik scheint Andrew Niccol die Aktualität heutzutage praktisch eingeholt zu haben. Nicht zuletzt war auch der erweiterte Einsatz von Motion Capturing und dem Scannen von Darsteller*innen, damit sie in der Folge mehr oder weniger beliebig in Filmen „eingesetzt“ werden können, ein zentrales Thema des letztjährigen Streiks der SAG-AFTRA und trotz einer diesbezüglichen Einigung wird es unweigerlich ein bedeutendes Thema für das Kino der Zukunft und auch nahe Gegenwart sein. Wie ersetzbar sind echte Menschen, wenn man doch den gleichen Effekt mit moderner Technik erzielen kann? Sind sie im Film damit nicht automatisch ein aussterbendes Relikt, schließlich wird inzwischen schon so viel anderes durch CGI und Co generiert? Ist es nicht sogar der einzig logische Schritt in Richtung Zukunft? All das sind Aspekte, denen sich Andrew Niccol in der bis dahin gewohnt kritischen und hinterfragenden Art und Weise hätte widmen können, stattdessen verkommt sein vermeidlich ambitioniertes Projekt irgendwann leider sehr eindeutig zur schalen, unlogisch-absurden und viel zu handzahmen Genre-Parodie, die sich selbst alle interessanten Ansätze mit Karacho unter den Füßen wegzieht.

Nach einem leicht melancholischen, wehmütigen und sogar dezent verbitterten Auftakt - der irgendwie auch das Aussterben des modernen Kinos zu thematisieren scheint – führt es zunächst zu der durchaus gehaltvollen Prämisse, um dann etwa nach dem ersten Drittel kontinuierlich in sich zusammenzufallen. Al Pacino ist mit seiner impulsiven Performance noch ein echter Lichtblick und auch sonst sind hier etliche gute Darsteller*innen mit an Bord, an Starpower mangelt es definitiv nicht. Dafür massiv an einer echten Ausrichtung oder der Grundlage angemessenen Aussage. Statt sich wirklich mit der Entwicklung des Kinos, von KI oder dem generellen Konflikt zwischen Technik und Realität auseinanderzusetzen (bei der hier angerissenen Prämisse praktisch ein Selbstläufer), taumelt der Film schnell unbeholfen zwischen einem zaghaften Versuch von sowas und leider überwiegend alberner und abstrusen Persiflage vor sich hin, die an vielen Stellen überhaupt keinen Sinn ergibt. Nicht mal in seinem selbstkreierten, satirisch akzeptablen Mikrokosmos, da man zwischendurch ja immer noch ein halbwegs ernsthaftes Drama mit einem Hauch von Anspruch erzählen möchte. Das beißt sich zeitweise massiv, da S1m0ne nie so absurd sein möchte, wie er teilweise unfreiwillig wirkt. Das ist ein Kardinalsfehler, der das gesamte Projekt praktisch ungenießbar macht.

Fazit

Eine prinzipiell gute Grundidee und ein extrem qualifizierter Cast sind die eindeutigen Stärken von „S1m0ne“, das Resultat ist aber umso ernüchternder. Viele gute Ansätze verlaufen in deplatzierten Belanglosigkeiten, eine effektive Balance zwischen Anspruch, Komik und aussagekräftiger Relevanz mag sich nie einpendeln. Das hätte ein wirklich guter Film sein können, aber über einen reizvollen Gedanken kommt man nie hinaus und verschleudert diesen sogar noch ohne Not.

Kritik: Jacko Kunze

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Author: Nathanael Baumbach

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